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Macht Autofahren noch Spaß?

vom 01.06.2017

Eine ernüchternde Recherche

Ehrliche und spontane Antwort: Nein. Woran liegt das?

Zum einen an meinem Wohnort bzw. Arbeitsstätte bei Wien.

Ich kenne wenige Städte wo das Autofahren unangenehmer ist als hier. Der grantige Wiener wird seinem Ruf auch auf der Straße gerecht, ergänzt mit einer ordentlichen Portion von Egoismus, Rücksichtslosigkeit und Aggressivität. Autos könnten hier getrost ohne Rückspiegel ausgeliefert werden, es ist den Fahrern egal, was sich hinter ihnen abspielt. Versperre ich den Weg während ich links abbiege? Will mich gar jemand überholen? Fahrt jemand hinter mir, wenn ich eine Notbremsung wegen fixem Radar auf der Autobahn bei Tempo 130 mache?

Bevor jetzt Freude in den westlichen oder südlichen Regionen aufkommt: Dort ist es besser, aber angenehm ist es leider auch dort nicht, Tendenz zum Ausgleich mit dem Osten.

Zum anderen liegt das an den Autos selbst. Die fahren ja bald automatisiert, bin gespannt ob die dann rücksichtsvoll reagieren können. Fair und im Sinne eines zügigen Vorankommens für alle. Bis es aber so weit ist: Wenn das Auto selbstständig einparkt, dem Vordermann folgt, uns vor Müdigkeit warnt, etc. macht das noch keine besseren oder kollegialeren Autofahrer aus uns. Wir entscheiden immer noch, wen wir vor uns in die Kolonne, oder uns überholen lassen und vieles mehr. Wir sind auch immer noch verantwortlich dafür den Hupknopf bei jeder Gelegenheit zu drücken, die uns stört, nicht etwa wenn Gefahr im Verzug ist. Verantwortlich für div. Gestik im Auto, vom Vogerl bis zum Stinkefinger, verantwortlich für unsere Wortwahl bei geöffnetem Fenster.

Dabei ginge es so einfach, man nehme sich ein Beispiel an Tokio. Ein enormes Verkehrsaufkommen, eine enorme Dichte an Fußgängern, an Menschen überall. Und alle sind höflich! Ich habe das selbst erfahren dürfen, nach einigen Tagen färbt das ab. Man ist dann so freundlich und respektvoll, wie auch die anderen sich einem gegenüber verhalten. Funktioniert perfekt und ist wirklich angenehm. Nicht dass es dort keine Staus gibt, Baustellen, etc. aber es ist weniger anstrengend als bei uns, weil damit dort alle anders umgehen. Das funktioniert übrigens auch in der U Bahn, oder bei jeglicher anderen Menschenansammlung.

Ich höre immer wieder, die Freundlichkeit dort ist nur gespielt, nicht echt empfunden. Na und? Was kümmert mich das, warum der Tankwart, der Kellner, der Nachbar im Zug, der Fahrer im Auto vor mir, freundlich ist? Es bewirkt, dass auch ich freundlich bin, und hat somit den Zweck klar erreicht.

Während eines Aufenthaltes in Moskau wurde ich auf Prospekte von Autoverleihern in einem Hotel aufmerksam. Darin wurde vor dem rücksichtslosen Verkehr in dieser Stadt gewarnt. Ehrlich, ich war dort schon einige Male und habe Verkehrssituationen erlebt, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit in Wien Handgreiflichkeit ins Spiel gekommen wäre, dort blieb es bei einigen Gesten. Nicht, dass das Autofahren dort angenehm wäre, aber wenn dort vor Rücksichtslosigkeit im Verkehr gewarnt wird, was muss man dann den Touristen hier erklären, bevor sie sich ins Auto setzen? „Wir empfehlen vor Antritt der Fahrt gemäßigten Alkoholkonsum, z.B. ein Achterl beim Heurigen, damit man den Wahnsinn etwas besser versteht.“

Hat ja Tradition bei uns, vielleicht liegt es ja an der niedrigen Promilleobergrenze, das die Leute sich nicht mehr beruhigen können.

Aber fahren wir dann besser? Zumindest freundlicher…

Ein weitere Grund, warum das Autofahren keinen Spaß mehr macht, ist unsere rigorose Geschwindigkeitsüberwachung. Jetzt werden manche sagen, Raser stellen eine Gefahr für alle dar und sind auch kein Statement von Kollegialität. Nun, das kommt darauf an, womit man rast. Ein Sportwagen liegt und bremst bei höherer Geschwindigkeit immer noch besser, als viele Kleinwägen. Aber das soll kein Aufruf zum Rasen sein, ich persönlich rase sicher nicht und erhalte dennoch regelmäßig Post von der Bezirkshauptmannschaft. Der Grund? Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 10-15 km/h. Ich habe offenbar keine Notbremsung unmittelbar bei dem Beschränkungsschild eingeleitet, ließ mich ausrollen. Oder war in Gedanken und habe übersehen, dass sich die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb weniger Kilometer schon wieder verändert hat. Ich kenne keine Autobahn, auf der das öfter passiert als auf unserer A2 zwischen Wien und Villach!

Die mobilen Wegelagerer stehen prinzipiell nicht vor Schulen, oder anderen schützenswerten Bereichen, sondern auf Bergab-Passagen, unmittelbar nach der Beschränkung. Ich ärgere mich auch darüber, wenn ich nicht direkt betroffen bin, es reicht schon, dass ich sie irgendwo hinter einem Gebüsch verschanzt sehe. Beim leichtesten Sonnenstrahl vermehren sie sich wie Ungeziefer. Warum lassen wir uns das eigentlich gefallen, wo es doch offensichtlich ist, dass es nicht um Sicherheit geht, sondern darum Geld einzutreiben?

Aber wie schreibt schon Gustave Le Bon in „Die Psychologie der Massen“, „Jedes Volk erhält die Regierung die es verdient“, so auch die Exekutive.

Wir sind nun mal hinterfotzig, was haben wir da zu erwarten?

Möchte ich also wieder einmal Freude beim Auto-(oder Motorrad) Fahren empfinden, dann leihe ich mir ein Cabrio, oder ein Motorrad z.B. im südlichen Italien, abseits der Touristengebiete, also im Landesinneren aus. Möglichst alt, ohne den ganzen elektronischen Firlefanz. Und dann fahre ich zügig die kurvigen Straßen entlang, bei Olivenhainen vorbei, genieße Fahrzeug, Umgebung und die frische Luft, ohne Angst vor dem nächsten Radar oder grantigen Verkehrsteilnehmern. So einfach und schön kann das sein…